Spracheinstellungen

Würde ich anders empfinden und handeln, wenn ich Koreanisch genauso beherrschen würde wie Deutsch? Schon als Teenager ging ich der Frage nach, inwiefern Sprache das Denken beeinflusst und setzte mich mit der Bedeutung von Wörtern auseinander. Seither bin ich fasziniert von einzigartigen, kaum zu übersetzenden Begriffen, die ganze Konzepte enthalten, etwas auf den Punkt bringen oder Aspekte einer Kultur benennen. Nunchi (Koreanisch), shemomedjamo (Georgisch) oder sisu (Finnisch) sind so Beispiele. In zahlreichen spannenden Studien wurde belegt, wie Wörter, Grammatik, Redewendungen, Schreibrichtung und selbst Gestik die Wahrnehmung steuern. Sprache beeinflusst mich also schon weit vor einem bewussten Gedanken, formt damit meine Persönlichkeit und wirkt sich auch auf Beziehungen aus. Somit kommen je nach Sprache unterschiedliche Facetten meiner Persönlichkeit stärker zum Zug.
Grund genug, meine Sprache gezielt zu gestalten. Ich habe mich entschieden, ermutigend und wertschätzend zu kommunizieren, auf Entwicklung und Leben zu achten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe ich gelernt, dass das weniger durch die ‘richtigen’ Begriffe gelingt, als durch meine Einstellung, die in allen Lebensbereichen zum Ausdruck kommt.

Hier sind sechs bewährte Möglichkeiten, um im Deutschen den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und eine ermutigende Haltung zu etablieren.

Spracheinstellungen

«Das habe ich noch nicht geschafft» lässt Raum für Entwicklung, genauso wie Zeitangaben aus Festlegungen Momentaufnahmen machen können: «Heute hatte ich keine Nerven.» «Im Moment bin ich überfordert.»
Welche Worte ermöglichen Bewegung, anstatt bestimmte Vorstellungen zu zementieren?

Dabei geht es nicht um Weichspüler, die verharmlosen, verniedlichen, abschwächen oder Aussagen zu Floskeln machen. «Ich will das eigentlich nicht.» «Im Prinzip, also unter Umständen wäre es möglicherweise hilfreich, ein bisschen miteinander zu reden.» Ja was denn nun? Klare, persönliche Ansagen tragen dazu bei, Entscheidungen zu treffen, selbst zu wissen, was ich möchte und damit auch anderen Menschen Orientierung zu geben, anstatt sie raten zu lassen, woran sie sind. Daher lasse ich Worte, die eine Aussage sabotieren, weg.
Welche Worte tragen zur Klarheit bei?

Assoziationen, also die Gefühle und Bilder, die durch Worte ausgelöst werden, wirken unbewusst mit. Deshalb wähle ich Begriffe, die lösungs- und ressourcenorientiert sind. Anstelle von Problemen begegne ich Herausforderungen, und statt Kompromissen erarbeite ich mit Klienten Handlungsoptionen. «Wie hast Du es geschafft, weiterzumachen?» adressiert ganz andere Kräfte als «Oh weh, da hast Du etwas Schlimmes erlebt.»
Welche Worte weiten die Perspektive für Fähigkeiten, Interessen und Kreativität?

Apropos lösungsorientiert: Das Gehirn verarbeitet Negationen langsamer, sodass Sätze wie «Denk nicht mal daran!», «Mach heute bloss keinen Fehler» oder «Vergiss nicht, an die Schlüssel zu denken», anders als beabsichtigt ankommen. Ausserdem lässt eine Verneinung offen, was denn tatsächlich gefragt ist. Anstatt etwas zu verbieten («Ich rege mich nicht auf!»), nenne ich das Ziel: «Ich bleibe ruhig und sage, was ich denke.»
Welche Worte drücken das Gewünschte positiv, bejahend aus?

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«Da redet sich jemand etwas schön und betrügt sich damit nur selbst. Es geht nicht anders, ich habe keine Wahl», mag jemand einwenden. Oder «Es muss so sein, das war schon immer so». Tatsächlich gibt es andere Möglichkeiten. Ich kann schreiend im Kreis rennen, weil ich mich über das Team ärgere. Oder die Stelle wechseln. Oder mein Verhalten ändern. Oder so weitermachen, wie bisher und hoffen, dass die Rettung von aussen kommt. Je nach Ziel ist die eine oder andere Variante hilfreicher. Um herauszufinden, welche das ist, sammle ich spielerisch möglichst viele Ideen. Anschliessend wäge ich die jeweiligen Konsequenzen ab, stelle Preis und Gewinn einander gegenüber und entscheide dann, welche Option ich wähle.
Ja, in Extremsituationen kann es eine Wahl zwischen Leben und Tod, bzw. Not und Elend sein, sodass die Entscheidungsfreiheit kaum vorhanden ist. In den meisten Fällen wird der eigene Handlungsspielraum oder Aktionsradius jedoch erheblich erweitert, indem ich nach Möglichkeiten suche.
Welche Formulierungen machen meine Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit sichtbar?

Dazu gehört, die Verantwortung für mein Fühlen, Denken und Handeln vollständig zu übernehmen. Machen es und man mich traurig oder bin ich traurig über etwas? Hetzt er mich oder bin ich schon zu knapp los, als dass ich hätte pünktlich sein können? Rauben die Kinder mir aktiv und absichtlich den letzten Nerv oder rege ich mich über ihr Verhalten auf?
Meine Reaktionen steuere nur ich allein, das kann mir niemand abnehmen oder aufzwingen. Für mich haben sie eine Berechtigung, und wenn mir meine Auslöser und Muster bekannt sind, kann ich darauf Einfluss nehmen. Ich benötige also Zeit, um wahrzunehmen, was in mir vorgeht, wen ich in Aktion sehe und wie ich das Ganze in Worte fasse. Beschreibe ich mich als Opfer der Umstände, ausgeliefert und ohne Einfluss? Was ist tatsächlich mein Anteil, und was gehört zu jemand anderem?
Welche Formulierungen bringen meine Eigenständigkeit, meine Selbstführung zum Ausdruck?

Was willst Du in Worten und schliesslich Taten zum Ausdruck bringen?

Änderungen im Vokabular gelingen oft auf Anhieb, während Formulierungen, die eine veränderte Haltung ausdrücken, Entwicklungsarbeit in verschiedenen Bereichen erfordern. Gerne auch spielerisch, mit viel Humor und Kreativität! In der Auseinandersetzung mit Deiner Sprache wirst Du unterschiedliche Aspekte Deiner Persönlichkeit entdecken – nimmst Du die Herausforderung an?